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Jenseits der Pyramiden - Eine Schiffsreise durch Oberägypten von Luxor bis
Assuan
Der Sphinx blickte schon über tausend Jahre rätselhaft in die Wüste, und die
Pyramiden steckten bereits tief im angewehten Sand, als vor
dreieinhalbtausend Jahren nilaufwärts, zu Theben, der neuen «hunderttorigen»
Hauptstadt in Oberägypten die Pharaonen sich erneut anstrengten, die
Nachwelt mit Erstaunlichem zu versorgen. Gigantische Tempelanlagen mit
Wäldern aus Säulen, riesige Statuen, hunderte Tonnen schwere Obelisken aus
Granit, ein künstlicher See in der Wüste, Grabanlagen mit unzählbaren
Inschriften und Zeichnungen zeugen heute von einer der glanzvollsten Epochen
der ägyptischen Geschichte und faszinieren alljährlich hunderttausende
Besucher. Von Theben aus lassen sich per Schiffsreise auf dem Nil die
weiteren Heiligtümer Oberägyptens und eine paradiesische Oasenlandschaft
entdecken.
Der Nil bei Assuan
Die Hauptstadt und
ihre Tempel
Das
antike Theben, auf dessen Gebiet heute die Städte Luxor und Karnak liegen,
ist der an Ausgrabungen reichste Ort Ägyptens. Während der als Neues Reich
bezeichneten Blütezeit (um 1600-1000 v.Chr.) flossen durch erfolgreiche
Feldzüge unglaubliche Reichtümer ins Land und in die Hauptstadt. Die
gefestigte Macht der Pharaonen der 18. bis 20. Dynastie sicherte die stets
etwas brüchige Einheit zwischen Ober- und Unterägypten. Tutmosis III. war
der mächtigste Pharao aller Zeiten, er überschritt mit seinem Heer 1483
v.Chr. den Euphrat und dehnte seine Herrschaft bis über die Inseln Kreta und
Zypern aus. Der Gott Amun wurde Favorit des Neuen Reiches; er hatte
Kriegsglück bei den Kämpfen in Vorderasien und Nubien (den heutigen
Südägypten und Sudan) gebracht. Seine Symbolfigur, der Widder, säumt die
Prunkalleen, und ihm ist der im Norden Luxors gelegene Riesentempel Karnak
geweiht. Ramses der Große schließt den ersten historischen internationalen
Friedensvertrag und beendet so nach der Schlacht von Kadesch in Syrien (1285
v.Chr.) die über hundertjährige Auseinandersetzung mit dem Volk der
Hethiter. Er läßt in seiner siebenundsechzigjährigen Amtszeit kolossale
Bauwerke in Theben, Abu-Simbel und Memphis errichten, aus seiner Zeit stammt
gut die Hälfte der heute erhaltenen Tempel.
Zwei Tempelbezirke sind die Hauptattraktionen am thebanischen Ostufer des
Nils: der Tempel von Luxor und der genannte Tempel Karnak. Letzterer war mit
seiner symbolreichen Anlage Vorbild für die meisten Heiligtümer des Neuen
Reiches. Sein Zweck war, dem im innersten Raum durch eine Statue vertretenen
Gott ein eigenes Universum zu schaffen. Dargestellt wurde mit dem Haus
Gottes ganz unbescheiden die Welt, also Ägypten: eine Granitschwelle steht
für die im ursprünglichen Chaos geschaffene Feste, die mit Sternen bemalten
Decken für den Himmel, die Symmetrie für das in Ober- und Unterägypten
geteilte Land. Zwei mächtige, durch eine Vertiefung getrennte trapezförmige
„Pylonen“ (Symbol für den Urhügel über welchen in der Legende erstmalig die
Sonne aufging) umrahmen das Eingangsportal. Ein davor aufgestelltes
Obeliskenpaar sollte mit seinen ursprünglich vergoldeten Spitzen die
magische Kraft der ersten Strahlen der göttlich verehrten Sonne auffangen,
deren „Energie“ zur Erde leiten und so allmorgendlich den neuen Tag in
Schwung bringen. Diese Zauberkraft hat Teilnehmer von Napoleons
Ägyptenkampagne offenbar dazu bewogen, einen der beiden Granitriesen vor dem
Tempel von Luxor gleich mitzunehmen und später mitten in Paris aufzustellen:
Er ziert seit 1836 die Place de la Concorde am unteren Ende der Champs
Elysées.
Der hinter den Pylonen gelegene erste Innenhof der Tempel war noch für
alle Gläubigen zugänglich und diente zur Abhaltung von Opferhandlungen. Nach
einem zweiten Pylonenpaar folgt eine Säulenhalle. Der Tempel Karnak bietet
hier einen regelrechten Wald aus 134 Riesensäulen, die Papyruspflanzen mit
offenen und geschlossenen Blüten darstellen - die Symbolik ist leicht zu
verstehen: es herrscht Tag und Nacht gleichzeitig, der Tempel steht
außerhalb der vergehenden Zeit. Das Kapitell einer einzelnen dieser Säulen
hat 15 m Umfang, darauf sollen in 24 m Höhe bis zu 50 Menschen Platz finden.
Eindrucksvoller noch als diese Zahlen ist eine Schilderungen Thomas Manns,
er schwärmt in seinem „Joseph“-Roman von der „beispiellosen Prunksäulenhalle
ungheueren Umfangs, die ein späterer Pharao mit Namen Ramessu oder «Die
Sonne hat ihn erzeugt» dem Bautenkomplex des großen Amuntempels im Norden
mit einem Kostenaufwand hinzufügte, der dem erreichten Höchstmaß der Schwere
des Gottes entsprach.“ Die Größe und die Monumentalität lassen sich nur beim
Durchschreiten vor Ort erfahren. Weder auf Fotos noch auf Video läßt sich
der Zauber dieses 5000 m² großen Labyrinths wiedergeben, das auf gigantisch
übertriebene und doch treffende Weise das Papyrusdickicht am Nilufer
darstellen soll. Im weiteren Verlauf der Tempelachse steigt der Boden leicht
an, und die teilweise bedeckten Gänge werden schmaler und niedriger, der
Zutritt war nur hochgeweihten Priestern erlaubt; man spürt, daß das
Allerheiligste des Tempels immer näher rückt. Reich dekorierte Sakristeien,
Gebetsplätze und Kapellen bewahrten Kultgegenstände und dienten zur
Abhaltung und Vorbereitung der religiösen Zeremonien. Unmittelbar vor dem
Tabernakel befindet sich der Raum für die Barke, den Transportmittel des
Gottes. Wie Grabzeichnungen berichten, hatte dieses Boot eine vielfältige
Bedeutung in der ägyptischen Mythologie: sie diente den Mumien der Pharaonen
zum Überqueren des Nils in Richtung der Nekropolen im Westen und auch der
anschließenden Fahrt der Seele durch die Unterwelt, selbst die Sonne barkte
täglich über den Himmel. Schließlich das Zentrum des Tempels, der Raum der
nur dem höchsten Priester und Pharao selbst zugänglich war: hier befand sich
eine eher schmucklose tragbare Statuette des jeweiligen Tempelgottes. Diese
wurde an Festtagen hervorgeholt, das göttliche «Erwachen» mit viel lautem
Aufwand in Stadt und Land verkündet und es begann eine Prozessionsfahrt auf
dem Nil.
Zu nächtlicher Stunde kann man an einem einmaligen Spektakel im Tempel
Karnak teilhaben. Durch eindrucksvoll inszenierte Licht- und Toneffekte
werden die Besucher durch die weitläufigen Tempelanlagen geführt und dabei
durch «aus dem off» ertönende Stimmen in die Sagenwelt Ägyptens und die
Geschichte des Tempels eingeweiht - zu gegebener Stunde auch in deutscher
Sprache. Die einmalige akustische und architektonische Kulisse läßt die
Inszenierung zu einem unvergeßlichen Schauspiel werden. Nur eine Szene
daraus: Es herrscht völlige Stille und Dunkelheit. Plötzlich erstrahlt eine
alles überragende, milde und überlegen lächelnde Pharaonenstatue und die
sonore raumfüllende Stimme sowie bizarre, an den riesigen Mauern
widerhallende Klänge lassen bei den mittlerweile entrückten Besuchern kaum
noch Zweifel an der Gegenwärtigkeit der alten Götter aufkommen.
Theben West - Das
Reich der Toten
Daß die
sich die Pharaonen nach einem Leben als Halbgott nicht untätig den
Unwägbarkeiten des Jenseits überlassen wollten, scheint verständlich. Die
sterbliche Hülle wurde, unter Aufsicht des schakalköpfigen Gottes Anubis
durch genau vorgeschriebener Prozeduren einbalsamiert und über den Fluß ins
Reich der Toten transportiert. Dort, am Westufer, auf der Seite des
Sonnenuntergangs und des Todes herrschte der einst von seinem Bruder Seth
zerrissene und wiederauferstandene Gott Osiris. Er läßt die Seelen der
Verblichene nach bestandener harter Prüfung und einer zwölftägigen
Bootsfahrt durch die Unterwelt als Sonne im Osten aufsteigen, um Ägypten
auch weiterhin Kraft und Leben zu geben - so der ägyptische Glaube.
Der Besucher wird am Westufer durch zwei Kolossalstatuen begrüßt, die mit
einer Höhe von fast zwanzig Metern einsam die weite Ebene zwischen Nilufer
und Gebirge überragen. Schon im Römischen Kaiserreich war dies ein berühmtes
Reiseziel, bekannt als die klingende Memnonsäule. Bei Sonnenaufgang soll der
nördliche Koloß einen leisen klagenden Ton von sich gegeben haben. Griechen
und Römer hörten so das Orakel von Memnon sprechen. Als eines Morgens im
Jahre 130 n.Chr. Hadrian mit Gattin Sabina hier weilte, soll der Koloß aus
Liebe zum Kaiser geradezu schwatzhaft geworden sein, dies künden jedenfalls
einige auf dessen linken Unterschenkel gemeißelte griechische Hexameter. Die
Unsitte, sich an vielbesuchten Orten zu verewigen war also schon damals und
selbst in den höchsten Kreisen verbreitet. Das Tönen ist nach einer heute
noch sichtbaren Reparatur durch den römischen Kaiser Septimius Severus
endgültig verstummt - die Touristen kommen nach wie vor.
In zwei heißen vegetationslosen Tälern des Ufergebirges befinden sich die
Nekropolen Thebens: das Tal der Könige und das Tal der Königinnen. Die
Tatsache, daß die weit sichtbaren Pyramiden zur Zeit des Neuen Reiches
bereits geplündert waren, bewog die Pharaonen, sich nach dem Tode in rauhe
versteckte Bergtäler zurückzuziehen. Die schlichten Grabeingänge am Fuße der
mächtigen Bergketten scheinen von einer demütigen Bescheidenheit der
Herrscher zu zeugen. Nach einigen Stufen hinab tut sich jedoch eine neue
Welt auf, in der von Genügsamkeit keine Spur mehr existiert. Die Grabanlagen
sollten, wie auch die Tempel und Paläste, den „Planet Ägypten“ darstellen,
Zentrum war hier an Stelle der Götterstatue oder des Thrones der Sarkophag
mit der Mumie. In den langen, immer weiter absteigenden Gängen wurde keine
Stelle ausgelassen, um die irdischen Taten und göttlichen Beziehungen der
Großen durch Hieroglyphen und Zeichnungen darzustellen und somit unsterblich
zu machen. Eindrucksvoll und nachvollziehbar sind die Jenseitsvorstellungen
der Ägypter. Szenen aus dem «Buch der Toten», einem Reisebericht durch die
Unterwelt, sind häufigstes Motiv. Die Originalfarben haben noch nach über
dreitausend Jahren eine unglaubliche Leuchtkraft und verleihen den Figuren
nahezu lebendige Ausstrahlung. Oft reichten die bis über 200 Meter langen
Gänge nicht aus und es wurden Seitenkammern und Säulensäle in den Fels
geschlagen, um die beliebtesten Gottheiten bildlich zu ehren (im Grab
Tutmosis III. sind 741 Götter dargestellt!) und den sorgsam Gewickelten mit
Proviant für die Ewigkeit zu versorgen. Am Ende des Ganges, tief im Inneren
des Felsen, die Luft wird immer heißer, findet man schließlich das
Allerheiligste: die eigentliche Grabkammer - diese ist fast immer leer. Sei
es, daß Grabräuber alles Bewegliche geraubt haben oder daß sich die Mumien
und Schätze im Nationalmuseum von Kairo befinden, geblieben sind die
Dekorationen. Deren Entstehung kann man in einigen unvollendet gebliebenen
Grabanlagen verfolgen. Entwürfe in roter und deren Korrekturen in schwarzer
Farbe lassen erkennen, wie kleine Fehler durch die Hand eines Meisters
beseitigt wurden. Das Ergebnis war eine perfekten Harmonie in der Anordnung
der Hieroglyphen und Zeichnungen.
Die Besichtigung der Gräber ist Höhepunkt vieler Ägyptenreisen, an kaum
einem anderen Ort kann man erfahren, wie die Jenseitsvorstellung das Leben
prägte, und welche Bedeutung die Verehrung der Pharaonen als Halbgötter für
die Ägypter hatte.
Da mit dem Eintrittsticket zum Tal der Könige in der Regel nur drei der
62 Gräber betreten werden können, sollte man vorher wählen. Empfehlenswert
ist neben der Ruhestätte Tutenchamuns das 100m lange Grab Sethos I. und das
reich gestaltet Grab Ramses III. Zu beachten ist ebenfalls, daß die
meistbesuchtesten Anlagen zeitweilig geschlossen werden.
Das bekannteste, nicht das prunkvollste der Königsgräber ist wohl die
1922 durch den Engländer Howard Carter entdeckte, bis dahin letzte
Ruhestätte des Tutenchamun. Der Namen dieses Pharaos, des Schwiegersohnes
des „Ketzerkönigs“ Echnaton und seiner Gattin Nophretete, war durch einige
Tempelinschriften bekannt, allein es fehlte sein Grab. Nach langer
vergeblicher Suche war der inzwischen entmutigte Archäologe dabei, die
Grabungen endlich einzustellen und entdeckte beim Abtragen einer stets
verschonten Arbeiterhütte jene Stufe, die schließlich zu der Mumie des
achtzehnjährig verstorbenen Pharaos führte. Eine Topereignis der Weltpresse
jener Zeit. Die Vorkammer zum goldenen, siebenfach geschachtelten Sarkophag
war zwar etwas in Unordnung aber alle Beigaben noch vorhanden. Trotz aller
Goldschätze, war davon sicher der unscheinbare bescheidene Blumenstrauß,
welchen die junge Witwe vor über dreitausend Jahren auf der Schwelle
niedergelegt hatte, und der seitdem unversehrt geblieben ist, am rührendsten.
Diese kleine menschliche Geste läßt Jahrtausende vergessen, man fühlt sich
verwandt mit den Menschen der alten Kultur. Der Eingang dieses einzigen
(fast) ungeplünderten Grabes wurde beim Bau einer benachbarten Gruft
verschüttet und blieb so lange unentdeckt. Die Goldschätze im Grabe eines
der unbedeutendsten Könige des Neuen Reiches lassen erahnen, was einst die
schon im Altertum ausgeraubten Gräber der Großen bargen. Das dieses enge
verwinkelte Tal trotz intensiver Forschung immer noch zahlreiche Schätze und
Geheimnisse birgt, zeigt die im letzten Jahr (Winter 94-95) erfolgte
Wiederentdeckung der mehr als zweihundert Kammern umfassenden Grabanlage,
die Ramses II. für 50 seiner Söhne einrichten ließ. Noch zu ergründende
Gänge lassen eine mehrstöckige Anlage vermuten, und selbst Verbindungen zum
nur 30 m entfernten Grab des Vaters sind wahrscheinlich.
Vom Tal der Könige aus kann man zu Fuß einen Berggrad überqueren, um zu
einer weiteren Attraktion des thebanischen Westufers zu gelangen: der Tempel
Deir el-Bari der Pharaonin Hatschepsut. Auf diesem Weg bietet sich ein
ausgezeichneter Ausblick auf die Tempelanlage und das Niltal. Hatschepsut,
eine der wenigen weiblichen Pharaonen ließ Gelehrte ihres Hofes in alle vier
Weltgegenden schicken, um sich über den Stand der fernen Kulturen berichten
zu lassen. Die Ergebnisse der Expeditionen, insbesondere der in das
Weihrauchland Punt, sind als Reliefs in diesem Tempel verewigt - ein
bebildertes Lexikon für Altertumswissenschaftler. Der Weitblick dieser Frau
und ihres Hofarchitekten manifestiert sich ebenfalls in der für Ägypten
einmaligen Architektur des Tempels: die zeitlose Eleganz der Säulenreihen
und die Harmonie mit der Umgebung frappieren jeden Besucher. Die hohen
senkrechten Felswände im Hintergrund lassen den Ort wie ein riesiges
Amphitheater erscheinen. (So ist es verständlich, daß hin und wieder
Aida-Aufführungen vor dieser monumentalen Kulisse gegeben werden.)
Nilaufwärts bis
Assuan
Von
Luxor aus laden zahlreiche Passagierschiffe zu einer mehrtägigen Fahrt
nilaufwärts bis Assuan ein. Diese Reiseform ist unbedingt einer Straßenfahrt
vorzuziehen. Zum einen bietet die Nillandschaft vom Fluß aus die
eindrucksvollsten Motive, die Routen sind so gewählt, daß man die schönsten
Stellen beider Ufer kennenlernt, zum anderen haben die Schiffe eine
ausgezeichnete orientalische Küche und guten Komfort. Anstatt unter Staub
und Hitze zu leiden, kann man bei einer beständig frischen Brise glühende
Sonnenuntergänge und die Ausblicke auf die Gebirge und die Uferlandschaft
genießen. Der ockerfarbene Sandstein, das Blau des Nils und die
pastellgrünen Palmen bieten für Fotoamateure reizvolle und ständig
wechselnde Kontraste (UV-Filter nicht vergessen!). Zwischenstopps
ermöglichen die Besichtigung weiterer Denkmäler aus der Pharaonenzeit, u.a.
in Edfu den besterhaltenen Tempel Ägyptens. Er ist dem falkenköpfigen Gott
Horus geweiht und macht dank seiner nahezu kompletten Anlage und den
imposanten Pylonen einen überwältigenden Eindruck. Hier läßt sich auch die
milimetergenaue Bauweise bewundern: hundert Meter lange haardünne Fugen
gleichen mit Lineal gezogenen Bleistiftstrichen. Um so erstaunlicher, wenn
man bedenkt, daß ohne Eisen gearbeitet wurde und daß Rad und Flaschenzug
unbekannt waren.
In Assuan angekommen, der erste Nilkatarakt und zwei Staudämme verhindern
eine Weiterfahrt, sollte man für Souvenirkäufe den dortigen „Soukh“
aufsuchen. Die Vielfalt an Artikel aus Materialien wie Alabaster, Granit,
Kupfer, Gold und Silber aber auch Papyrus, Gewürzen und Aphrodisiaka sowie
farbenprächtigen Tuchen wird auch den exotischsten Wünschen gerecht. Es ist
jedoch Vorsicht geboten: sobald oder bevor das geringste Interesse bekundet
wird, ist man von stets sehr eifrigen Händlern umlagert. Ihr erstes
Preisangebot ist bewußt maßlos übertrieben und läßt sich teilweise auf ein
Zehntel reduzieren. Vor Alabastergeschäften sind eifrig auf Stein klopfende
Kinder zu sehen, das reichliche Angebot im Innern zeugt allerdings mehr von
industrieller Fertigung. Trotzdem sind geschmackvolle Stücke zu erstehen.
Eine Segeltour mit den flinken großsegligen Felluken durch die
inselreiche, paradiesisch anmutende Flußlandschaft bei Assuan führt zum
Mausoleum des Aga-Khan am Westufer. Kleine felsige und sandig Buchten
wechseln einander an, Palmen und immergrüne Bäume säumen die Ufer, der Nil
umfließt über Stromschnellen die Inseln, die von einigen im Kolonialstil
erbauten Hotels (in einem davon wurde Agatha Cristies Roman «Die Leiche im
Nil» verfilmt) gekrönt sind. All dies läßt sich nach dem Aufstieg zum
Mausoleum von oben betrachten. Will man den Eindrücken dieses großartigen
Ausblicks in Ruhe nachhängen, bietet sich der Eintritt ins Mausoleum des als
48. Imam verehrten moslemischen Heiligen an. Schuhwerk ist vor der Tür zu
lassen, und im Inneren ist völlige Ruhe geboten. Die schlichte helle
Gestaltung des großen Raumes verleiht der ständig frischen Rose auf dem
weißen Marmorsarkophag eine magische Ausstrahlung. Die Rose wird auf
Anordnung der Witwe Aga-Khans, der 1906 geborenen französischen
Schönheitskönigin Yvette Labrousse, seit dessen Beisetzung 1957 täglich
erneuert.
Südlich des ersten Nilkataraktes liegt ein besichtigenswertes Monument
ganz anderer Art: der Hochdamm von Assuan. Er ist trotz seiner Nachteile
heute unerläßlich für das Leben in Ägypten. Dank seiner Wasserreserven
konnte das Land die für viele afrikanische Staaten verheerenden
Dürrekatastrophen der achtziger Jahre unbeschadet überstehen. Der erzeugte
Strom versorgt tausende Pumpen zur Bewässerung der Zuckerrohr- und
Baumwollfelder. Doch gerade diese intensive Bewässerung scheint eine
tragische Folge für die tausendjährigen Tempel zu haben: der ständig hohe
Grundwasserstand führt zur sichtbaren Durchfeuchtung der Sockel
tiefgelegener Bauwerke, und die mitgeführten Salpetersalze zersetzen den
Stein. Die wirkliche Intensität und die Folgen dieser Zerstörung sind jedoch
noch umstritten.
Wie sehr man an der Erhaltung der pharaonischen Denkmäler interessiert
ist, zeigt eine einmalige Rettungsaktion. Bei Abu-Simbel, jenseits des
nördlichen Wendekreises, drohte nach Bau des Hochdammes ein Tempel Ramses
des Zweiten in den steigenden Fluten zu versinken. Dieser Tempel war 63
Meter tief in einen Berg gehauen, zweimal im Jahr ließ die aufgehende Sonne
vier Statuetten in seinem Innersten tiefrot erstrahlen. Die originelle
Bauweise erschwerte die Verlagerung - der Berg mußte mitumziehen. Es wurden
keine Mittel gescheut und eine beispiellose Operation ließ den Tempel fast
originalgetreu an sicher erhöhter Position wiedererstehen. Nur eine kleine
Veränderung zeugt vom Umzug: die Beleuchtung der Figuren erfolgt jeweils
einen Tag später. Das vielbestaunte Schauspiel ereignet sich jetzt
alljährlich am 21. Februar und Oktober.
Auch bei wenig Vorkenntnissen über die ägyptische Geschichte wird man
schnell mit der Sagenwelt und der Zeit des Neuen Reiches vertraut. Es
erschließ sich eine einzigartige Welt, in der sich Alltagsleben und
Mythologie unlösbar durchdrangen. Der Nil und die Sonne, die Lebensquellen
des Landes, sind gleichzeitig Grundelemente dieser Mythologie. Besonders der
allmorgendliche Sonnenaufgang und das jährliche gefeierte Anschwellen des
Flusses waren Wurzel des Auferstehungsglaubens und Leitmotiv der
Jenseitsvorstellungen.
Immer wieder fasziniert die Wüsten- und Oasenlandschaft: das schmale
grüne Band entlang des Nils und die Ufergebirge und Sanddünen. Eine Reise
durch Oberägypten wird dank der überwältigenden Eindrücke ein unvergeßliches
Erlebnis. Die Pyramiden kann man bei der Gelegenheit oder auf einer späteren
Reise natürlich auch besuchen - mit Sicherheit bleiben sie noch einige Zeit
erhalten.
„Thebe, Aigyptos’ Stadt, wo reich sind die Häuser an Schätzen, hundert
hat sie der Tor’, und es ziehn zweihundert aus jedem rüstige Männer zum
Streit mit Rossen daher und Geschirren“
Homer, Ilias 9, Vers 381-384
Einige Tips:
- Einzelne Terrorakte haben zu Besucher- und Preisrückgang geführt,
allerdings auch die Sicherheitsmaßnahmen überall sichtbar verstärkt - die
Anschläge waren fast vollständig verstummt, als im April 1996 erneut ein
Attentat in Kairo zahlreiche Opfer forderte. Welches Risiko man in Kauf zu
nehmen bereit ist, bleibt eine persönliche Entscheidung vor jeder Reise.
Während des Aufenthalts in Ägypten wird dank der stets zahlreichen
Touristen die Bedrohung kaum empfunden, immerhin zählte man 1995 trotz
alledem 3,13 mio Besucher.
- Angesichts der extremen Sommerhitze in Oberägypten ist die beste
Reisezeit das Winterhalbjahr (Ende Oktober bis Ende April). Bei
Temperaturen um 20 Grad sollte trotzdem Sonnenschutzmittel und eine
Kopfbedeckung nicht vergessen und für regelmäßige Flüssigkeitsaufnahme
gesorgt werden. Zu beachten ist auch die stets rasche Abkühlung nach
Sonnenuntergang. Im Sommer stehen gut klimatisierte Hotels, Schiffe und
Busse zur Verfügung. Aufgrund der geringen Luftfeuchtigkeit sind die hohen
Temperaturen im Schatten relativ leicht zu ertragen.
- Bei Besichtigungen der Grabanlagen empfiehlt sich einen Taschenlampe,
nicht zuletzt weil Stromausfälle nicht selten sind. Wegen der Hitze sollte
man nur bei guter körperlicher Verfassung eintreten und sich eines der
bereitgehaltenen Fächer bedienen. Fotografieren und Filmen ist in den
Gräbern verboten.
- Es besteht Visumpflicht, dieses kann man sich jedoch auch bei der
Ankunft besorgen, bei organisierten Reisen übernimmt meist der
Veranstalter die Formalitäten.
- Es ist notwendig, zur Bezahlung Kleingeld bereitzuhalten, Händler
können selten große Beträge wechseln. Inwieweit man den stets heftigen „Bakschisch“-Forderungen
nachkommt, liegt im Ermessen des Reisenden.
- Mit dem Internationalen Studentenausweis sind nahezu alle
Eintrittspreise ermäßigt.
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