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  Jenseits der Pyramiden - Eine Schiffsreise durch Oberägypten von Luxor bis Assuan

Der Sphinx blickte schon über tausend Jahre rätselhaft in die Wüste, und die Pyramiden steckten bereits tief im angewehten Sand, als vor dreieinhalbtausend Jahren nilaufwärts, zu Theben, der neuen «hunderttorigen» Hauptstadt in Oberägypten die Pharaonen sich erneut anstrengten, die Nachwelt mit Erstaunlichem zu versorgen. Gigantische Tempelanlagen mit Wäldern aus Säulen, riesige Statuen, hunderte Tonnen schwere Obelisken aus Granit, ein künstlicher See in der Wüste, Grabanlagen mit unzählbaren Inschriften und Zeichnungen zeugen heute von einer der glanzvollsten Epochen der ägyptischen Geschichte und faszinieren alljährlich hunderttausende Besucher. Von Theben aus lassen sich per Schiffsreise auf dem Nil die weiteren Heiligtümer Oberägyptens und eine paradiesische Oasenlandschaft entdecken.

assuan 

Der Nil bei Assuan

Die Hauptstadt und ihre Tempel

Das antike Theben, auf dessen Gebiet heute die Städte Luxor und Karnak liegen, ist der an Ausgrabungen reichste Ort Ägyptens. Während der als Neues Reich bezeichneten Blütezeit (um 1600-1000 v.Chr.) flossen durch erfolgreiche Feldzüge unglaubliche Reichtümer ins Land und in die Hauptstadt. Die gefestigte Macht der Pharaonen der 18. bis 20. Dynastie sicherte die stets etwas brüchige Einheit zwischen Ober- und Unterägypten. Tutmosis III. war der mächtigste Pharao aller Zeiten, er überschritt mit seinem Heer 1483 v.Chr. den Euphrat und dehnte seine Herrschaft bis über die Inseln Kreta und Zypern aus. Der Gott Amun wurde Favorit des Neuen Reiches; er hatte Kriegsglück bei den Kämpfen in Vorderasien und Nubien (den heutigen Südägypten und Sudan) gebracht. Seine Symbolfigur, der Widder, säumt die Prunkalleen, und ihm ist der im Norden Luxors gelegene Riesentempel Karnak geweiht. Ramses der Große schließt den ersten historischen internationalen Friedensvertrag und beendet so nach der Schlacht von Kadesch in Syrien (1285 v.Chr.) die über hundertjährige Auseinandersetzung mit dem Volk der Hethiter. Er läßt in seiner siebenundsechzigjährigen Amtszeit kolossale Bauwerke in Theben, Abu-Simbel und Memphis errichten, aus seiner Zeit stammt gut die Hälfte der heute erhaltenen Tempel.

Zwei Tempelbezirke sind die Hauptattraktionen am thebanischen Ostufer des Nils: der Tempel von Luxor und der genannte Tempel Karnak. Letzterer war mit seiner symbolreichen Anlage Vorbild für die meisten Heiligtümer des Neuen Reiches. Sein Zweck war, dem im innersten Raum durch eine Statue vertretenen Gott ein eigenes Universum zu schaffen. Dargestellt wurde mit dem Haus Gottes ganz unbescheiden die Welt, also Ägypten: eine Granitschwelle steht für die im ursprünglichen Chaos geschaffene Feste, die mit Sternen bemalten Decken für den Himmel, die Symmetrie für das in Ober- und Unterägypten geteilte Land. Zwei mächtige, durch eine Vertiefung getrennte trapezförmige „Pylonen“ (Symbol für den Urhügel über welchen in der Legende erstmalig die Sonne aufging) umrahmen das Eingangsportal. Ein davor aufgestelltes Obeliskenpaar sollte mit seinen ursprünglich vergoldeten Spitzen die magische Kraft der ersten Strahlen der göttlich verehrten Sonne auffangen, deren „Energie“ zur Erde leiten und so allmorgendlich den neuen Tag in Schwung bringen. Diese Zauberkraft hat Teilnehmer von Napoleons Ägyptenkampagne offenbar dazu bewogen, einen der beiden Granitriesen vor dem Tempel von Luxor gleich mitzunehmen und später mitten in Paris aufzustellen: Er ziert seit 1836 die Place de la Concorde am unteren Ende der Champs Elysées.

Der hinter den Pylonen gelegene erste Innenhof der Tempel war noch für alle Gläubigen zugänglich und diente zur Abhaltung von Opferhandlungen. Nach einem zweiten Pylonenpaar folgt eine Säulenhalle. Der Tempel Karnak bietet hier einen regelrechten Wald aus 134 Riesensäulen, die Papyruspflanzen mit offenen und geschlossenen Blüten darstellen - die Symbolik ist leicht zu verstehen: es herrscht Tag und Nacht gleichzeitig, der Tempel steht außerhalb der vergehenden Zeit. Das Kapitell einer einzelnen dieser Säulen hat 15 m Umfang, darauf sollen in 24 m Höhe bis zu 50 Menschen Platz finden. Eindrucksvoller noch als diese Zahlen ist eine Schilderungen Thomas Manns, er schwärmt in seinem „Joseph“-Roman von der „beispiellosen Prunksäulenhalle ungheueren Umfangs, die ein späterer Pharao mit Namen Ramessu oder «Die Sonne hat ihn erzeugt» dem Bautenkomplex des großen Amuntempels im Norden mit einem Kostenaufwand hinzufügte, der dem erreichten Höchstmaß der Schwere des Gottes entsprach.“ Die Größe und die Monumentalität lassen sich nur beim Durchschreiten vor Ort erfahren. Weder auf Fotos noch auf Video läßt sich der Zauber dieses 5000 m² großen Labyrinths wiedergeben, das auf gigantisch übertriebene und doch treffende Weise das Papyrusdickicht am Nilufer darstellen soll. Im weiteren Verlauf der Tempelachse steigt der Boden leicht an, und die teilweise bedeckten Gänge werden schmaler und niedriger, der Zutritt war nur hochgeweihten Priestern erlaubt; man spürt, daß das Allerheiligste des Tempels immer näher rückt. Reich dekorierte Sakristeien, Gebetsplätze und Kapellen bewahrten Kultgegenstände und dienten zur Abhaltung und Vorbereitung der religiösen Zeremonien. Unmittelbar vor dem Tabernakel befindet sich der Raum für die Barke, den Transportmittel des Gottes. Wie Grabzeichnungen berichten, hatte dieses Boot eine vielfältige Bedeutung in der ägyptischen Mythologie: sie diente den Mumien der Pharaonen zum Überqueren des Nils in Richtung der Nekropolen im Westen und auch der anschließenden Fahrt der Seele durch die Unterwelt, selbst die Sonne barkte täglich über den Himmel. Schließlich das Zentrum des Tempels, der Raum der nur dem höchsten Priester und Pharao selbst zugänglich war: hier befand sich eine eher schmucklose tragbare Statuette des jeweiligen Tempelgottes. Diese wurde an Festtagen hervorgeholt, das göttliche «Erwachen» mit viel lautem Aufwand in Stadt und Land verkündet und es begann eine Prozessionsfahrt auf dem Nil.

Zu nächtlicher Stunde kann man an einem einmaligen Spektakel im Tempel Karnak teilhaben. Durch eindrucksvoll inszenierte Licht- und Toneffekte werden die Besucher durch die weitläufigen Tempelanlagen geführt und dabei durch «aus dem off» ertönende Stimmen in die Sagenwelt Ägyptens und die Geschichte des Tempels eingeweiht - zu gegebener Stunde auch in deutscher Sprache. Die einmalige akustische und architektonische Kulisse läßt die Inszenierung zu einem unvergeßlichen Schauspiel werden. Nur eine Szene daraus: Es herrscht völlige Stille und Dunkelheit. Plötzlich erstrahlt eine alles überragende, milde und überlegen lächelnde Pharaonenstatue und die sonore raumfüllende Stimme sowie bizarre, an den riesigen Mauern widerhallende Klänge lassen bei den mittlerweile entrückten Besuchern kaum noch Zweifel an der Gegenwärtigkeit der alten Götter aufkommen.

Theben West - Das Reich der Toten

Daß die sich die Pharaonen nach einem Leben als Halbgott nicht untätig den Unwägbarkeiten des Jenseits überlassen wollten, scheint verständlich. Die sterbliche Hülle wurde, unter Aufsicht des schakalköpfigen Gottes Anubis durch genau vorgeschriebener Prozeduren einbalsamiert und über den Fluß ins Reich der Toten transportiert. Dort, am Westufer, auf der Seite des Sonnenuntergangs und des Todes herrschte der einst von seinem Bruder Seth zerrissene und wiederauferstandene Gott Osiris. Er läßt die Seelen der Verblichene nach bestandener harter Prüfung und einer zwölftägigen Bootsfahrt durch die Unterwelt als Sonne im Osten aufsteigen, um Ägypten auch weiterhin Kraft und Leben zu geben - so der ägyptische Glaube.

Der Besucher wird am Westufer durch zwei Kolossalstatuen begrüßt, die mit einer Höhe von fast zwanzig Metern einsam die weite Ebene zwischen Nilufer und Gebirge überragen. Schon im Römischen Kaiserreich war dies ein berühmtes Reiseziel, bekannt als die klingende Memnonsäule. Bei Sonnenaufgang soll der nördliche Koloß einen leisen klagenden Ton von sich gegeben haben. Griechen und Römer hörten so das Orakel von Memnon sprechen. Als eines Morgens im Jahre 130 n.Chr. Hadrian mit Gattin Sabina hier weilte, soll der Koloß aus Liebe zum Kaiser geradezu schwatzhaft geworden sein, dies künden jedenfalls einige auf dessen linken Unterschenkel gemeißelte griechische Hexameter. Die Unsitte, sich an vielbesuchten Orten zu verewigen war also schon damals und selbst in den höchsten Kreisen verbreitet. Das Tönen ist nach einer heute noch sichtbaren Reparatur durch den römischen Kaiser Septimius Severus endgültig verstummt - die Touristen kommen nach wie vor.

In zwei heißen vegetationslosen Tälern des Ufergebirges befinden sich die Nekropolen Thebens: das Tal der Könige und das Tal der Königinnen. Die Tatsache, daß die weit sichtbaren Pyramiden zur Zeit des Neuen Reiches bereits geplündert waren, bewog die Pharaonen, sich nach dem Tode in rauhe versteckte Bergtäler zurückzuziehen. Die schlichten Grabeingänge am Fuße der mächtigen Bergketten scheinen von einer demütigen Bescheidenheit der Herrscher zu zeugen. Nach einigen Stufen hinab tut sich jedoch eine neue Welt auf, in der von Genügsamkeit keine Spur mehr existiert. Die Grabanlagen sollten, wie auch die Tempel und Paläste, den „Planet Ägypten“ darstellen, Zentrum war hier an Stelle der Götterstatue oder des Thrones der Sarkophag mit der Mumie. In den langen, immer weiter absteigenden Gängen wurde keine Stelle ausgelassen, um die irdischen Taten und göttlichen Beziehungen der Großen durch Hieroglyphen und Zeichnungen darzustellen und somit unsterblich zu machen. Eindrucksvoll und nachvollziehbar sind die Jenseitsvorstellungen der Ägypter. Szenen aus dem «Buch der Toten», einem Reisebericht durch die Unterwelt, sind häufigstes Motiv. Die Originalfarben haben noch nach über dreitausend Jahren eine unglaubliche Leuchtkraft und verleihen den Figuren nahezu lebendige Ausstrahlung. Oft reichten die bis über 200 Meter langen Gänge nicht aus und es wurden Seitenkammern und Säulensäle in den Fels geschlagen, um die beliebtesten Gottheiten bildlich zu ehren (im Grab Tutmosis III. sind 741 Götter dargestellt!) und den sorgsam Gewickelten mit Proviant für die Ewigkeit zu versorgen. Am Ende des Ganges, tief im Inneren des Felsen, die Luft wird immer heißer, findet man schließlich das Allerheiligste: die eigentliche Grabkammer - diese ist fast immer leer. Sei es, daß Grabräuber alles Bewegliche geraubt haben oder daß sich die Mumien und Schätze im Nationalmuseum von Kairo befinden, geblieben sind die Dekorationen. Deren Entstehung kann man in einigen unvollendet gebliebenen Grabanlagen verfolgen. Entwürfe in roter und deren Korrekturen in schwarzer Farbe lassen erkennen, wie kleine Fehler durch die Hand eines Meisters beseitigt wurden. Das Ergebnis war eine perfekten Harmonie in der Anordnung der Hieroglyphen und Zeichnungen.

Die Besichtigung der Gräber ist Höhepunkt vieler Ägyptenreisen, an kaum einem anderen Ort kann man erfahren, wie die Jenseitsvorstellung das Leben prägte, und welche Bedeutung die Verehrung der Pharaonen als Halbgötter für die Ägypter hatte.

Da mit dem Eintrittsticket zum Tal der Könige in der Regel nur drei der 62 Gräber betreten werden können, sollte man vorher wählen. Empfehlenswert ist neben der Ruhestätte Tutenchamuns das 100m lange Grab Sethos I. und das reich gestaltet Grab Ramses III. Zu beachten ist ebenfalls, daß die meistbesuchtesten Anlagen zeitweilig geschlossen werden.

Das bekannteste, nicht das prunkvollste der Königsgräber ist wohl die 1922 durch den Engländer Howard Carter entdeckte, bis dahin letzte Ruhestätte des Tutenchamun. Der Namen dieses Pharaos, des Schwiegersohnes des „Ketzerkönigs“ Echnaton und seiner Gattin Nophretete, war durch einige Tempelinschriften bekannt, allein es fehlte sein Grab. Nach langer vergeblicher Suche war der inzwischen entmutigte Archäologe dabei, die Grabungen endlich einzustellen und entdeckte beim Abtragen einer stets verschonten Arbeiterhütte jene Stufe, die schließlich zu der Mumie des achtzehnjährig verstorbenen Pharaos führte. Eine Topereignis der Weltpresse jener Zeit. Die Vorkammer zum goldenen, siebenfach geschachtelten Sarkophag war zwar etwas in Unordnung aber alle Beigaben noch vorhanden. Trotz aller Goldschätze, war davon sicher der unscheinbare bescheidene Blumenstrauß, welchen die junge Witwe vor über dreitausend Jahren auf der Schwelle niedergelegt hatte, und der seitdem unversehrt geblieben ist, am rührendsten. Diese kleine menschliche Geste läßt Jahrtausende vergessen, man fühlt sich verwandt mit den Menschen der alten Kultur. Der Eingang dieses einzigen (fast) ungeplünderten Grabes wurde beim Bau einer benachbarten Gruft verschüttet und blieb so lange unentdeckt. Die Goldschätze im Grabe eines der unbedeutendsten Könige des Neuen Reiches lassen erahnen, was einst die schon im Altertum ausgeraubten Gräber der Großen bargen. Das dieses enge verwinkelte Tal trotz intensiver Forschung immer noch zahlreiche Schätze und Geheimnisse birgt, zeigt die im letzten Jahr (Winter 94-95) erfolgte Wiederentdeckung der mehr als zweihundert Kammern umfassenden Grabanlage, die Ramses II. für 50 seiner Söhne einrichten ließ. Noch zu ergründende Gänge lassen eine mehrstöckige Anlage vermuten, und selbst Verbindungen zum nur 30 m entfernten Grab des Vaters sind wahrscheinlich.

Vom Tal der Könige aus kann man zu Fuß einen Berggrad überqueren, um zu einer weiteren Attraktion des thebanischen Westufers zu gelangen: der Tempel Deir el-Bari der Pharaonin Hatschepsut. Auf diesem Weg bietet sich ein ausgezeichneter Ausblick auf die Tempelanlage und das Niltal. Hatschepsut, eine der wenigen weiblichen Pharaonen ließ Gelehrte ihres Hofes in alle vier Weltgegenden schicken, um sich über den Stand der fernen Kulturen berichten zu lassen. Die Ergebnisse der Expeditionen, insbesondere der in das Weihrauchland Punt, sind als Reliefs in diesem Tempel verewigt - ein bebildertes Lexikon für Altertumswissenschaftler. Der Weitblick dieser Frau und ihres Hofarchitekten manifestiert sich ebenfalls in der für Ägypten einmaligen Architektur des Tempels: die zeitlose Eleganz der Säulenreihen und die Harmonie mit der Umgebung frappieren jeden Besucher. Die hohen senkrechten Felswände im Hintergrund lassen den Ort wie ein riesiges Amphitheater erscheinen. (So ist es verständlich, daß hin und wieder Aida-Aufführungen vor dieser monumentalen Kulisse gegeben werden.)

Nilaufwärts bis Assuan

Von Luxor aus laden zahlreiche Passagierschiffe zu einer mehrtägigen Fahrt nilaufwärts bis Assuan ein. Diese Reiseform ist unbedingt einer Straßenfahrt vorzuziehen. Zum einen bietet die Nillandschaft vom Fluß aus die eindrucksvollsten Motive, die Routen sind so gewählt, daß man die schönsten Stellen beider Ufer kennenlernt, zum anderen haben die Schiffe eine ausgezeichnete orientalische Küche und guten Komfort. Anstatt unter Staub und Hitze zu leiden, kann man bei einer beständig frischen Brise glühende Sonnenuntergänge und die Ausblicke auf die Gebirge und die Uferlandschaft genießen. Der ockerfarbene Sandstein, das Blau des Nils und die pastellgrünen Palmen bieten für Fotoamateure reizvolle und ständig wechselnde Kontraste (UV-Filter nicht vergessen!). Zwischenstopps ermöglichen die Besichtigung weiterer Denkmäler aus der Pharaonenzeit, u.a. in Edfu den besterhaltenen Tempel Ägyptens. Er ist dem falkenköpfigen Gott Horus geweiht und macht dank seiner nahezu kompletten Anlage und den imposanten Pylonen einen überwältigenden Eindruck. Hier läßt sich auch die milimetergenaue Bauweise bewundern: hundert Meter lange haardünne Fugen gleichen mit Lineal gezogenen Bleistiftstrichen. Um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß ohne Eisen gearbeitet wurde und daß Rad und Flaschenzug unbekannt waren.

In Assuan angekommen, der erste Nilkatarakt und zwei Staudämme verhindern eine Weiterfahrt, sollte man für Souvenirkäufe den dortigen „Soukh“ aufsuchen. Die Vielfalt an Artikel aus Materialien wie Alabaster, Granit, Kupfer, Gold und Silber aber auch Papyrus, Gewürzen und Aphrodisiaka sowie farbenprächtigen Tuchen wird auch den exotischsten Wünschen gerecht. Es ist jedoch Vorsicht geboten: sobald oder bevor das geringste Interesse bekundet wird, ist man von stets sehr eifrigen Händlern umlagert. Ihr erstes Preisangebot ist bewußt maßlos übertrieben und läßt sich teilweise auf ein Zehntel reduzieren. Vor Alabastergeschäften sind eifrig auf Stein klopfende Kinder zu sehen, das reichliche Angebot im Innern zeugt allerdings mehr von industrieller Fertigung. Trotzdem sind geschmackvolle Stücke zu erstehen.

Eine Segeltour mit den flinken großsegligen Felluken durch die inselreiche, paradiesisch anmutende Flußlandschaft bei Assuan führt zum Mausoleum des Aga-Khan am Westufer. Kleine felsige und sandig Buchten wechseln einander an, Palmen und immergrüne Bäume säumen die Ufer, der Nil umfließt über Stromschnellen die Inseln, die von einigen im Kolonialstil erbauten Hotels (in einem davon wurde Agatha Cristies Roman «Die Leiche im Nil» verfilmt) gekrönt sind. All dies läßt sich nach dem Aufstieg zum Mausoleum von oben betrachten. Will man den Eindrücken dieses großartigen Ausblicks in Ruhe nachhängen, bietet sich der Eintritt ins Mausoleum des als 48. Imam verehrten moslemischen Heiligen an. Schuhwerk ist vor der Tür zu lassen, und im Inneren ist völlige Ruhe geboten. Die schlichte helle Gestaltung des großen Raumes verleiht der ständig frischen Rose auf dem weißen Marmorsarkophag eine magische Ausstrahlung. Die Rose wird auf Anordnung der Witwe Aga-Khans, der 1906 geborenen französischen Schönheitskönigin Yvette Labrousse, seit dessen Beisetzung 1957 täglich erneuert.

Südlich des ersten Nilkataraktes liegt ein besichtigenswertes Monument ganz anderer Art: der Hochdamm von Assuan. Er ist trotz seiner Nachteile heute unerläßlich für das Leben in Ägypten. Dank seiner Wasserreserven konnte das Land die für viele afrikanische Staaten verheerenden Dürrekatastrophen der achtziger Jahre unbeschadet überstehen. Der erzeugte Strom versorgt tausende Pumpen zur Bewässerung der Zuckerrohr- und Baumwollfelder. Doch gerade diese intensive Bewässerung scheint eine tragische Folge für die tausendjährigen Tempel zu haben: der ständig hohe Grundwasserstand führt zur sichtbaren Durchfeuchtung der Sockel tiefgelegener Bauwerke, und die mitgeführten Salpetersalze zersetzen den Stein. Die wirkliche Intensität und die Folgen dieser Zerstörung sind jedoch noch umstritten.

Wie sehr man an der Erhaltung der pharaonischen Denkmäler interessiert ist, zeigt eine einmalige Rettungsaktion. Bei Abu-Simbel, jenseits des nördlichen Wendekreises, drohte nach Bau des Hochdammes ein Tempel Ramses des Zweiten in den steigenden Fluten zu versinken. Dieser Tempel war 63 Meter tief in einen Berg gehauen, zweimal im Jahr ließ die aufgehende Sonne vier Statuetten in seinem Innersten tiefrot erstrahlen. Die originelle Bauweise erschwerte die Verlagerung - der Berg mußte mitumziehen. Es wurden keine Mittel gescheut und eine beispiellose Operation ließ den Tempel fast originalgetreu an sicher erhöhter Position wiedererstehen. Nur eine kleine Veränderung zeugt vom Umzug: die Beleuchtung der Figuren erfolgt jeweils einen Tag später. Das vielbestaunte Schauspiel ereignet sich jetzt alljährlich am 21. Februar und Oktober.

Auch bei wenig Vorkenntnissen über die ägyptische Geschichte wird man schnell mit der Sagenwelt und der Zeit des Neuen Reiches vertraut. Es erschließ sich eine einzigartige Welt, in der sich Alltagsleben und Mythologie unlösbar durchdrangen. Der Nil und die Sonne, die Lebensquellen des Landes, sind gleichzeitig Grundelemente dieser Mythologie. Besonders der allmorgendliche Sonnenaufgang und das jährliche gefeierte Anschwellen des Flusses waren Wurzel des Auferstehungsglaubens und Leitmotiv der Jenseitsvorstellungen.

Immer wieder fasziniert die Wüsten- und Oasenlandschaft: das schmale grüne Band entlang des Nils und die Ufergebirge und Sanddünen. Eine Reise durch Oberägypten wird dank der überwältigenden Eindrücke ein unvergeßliches Erlebnis. Die Pyramiden kann man bei der Gelegenheit oder auf einer späteren Reise natürlich auch besuchen - mit Sicherheit bleiben sie noch einige Zeit erhalten.

„Thebe, Aigyptos’ Stadt, wo reich sind die Häuser an Schätzen, hundert hat sie der Tor’, und es ziehn zweihundert aus jedem rüstige Männer zum Streit mit Rossen daher und Geschirren“

Homer, Ilias 9, Vers 381-384

Einige Tips:

  • Einzelne Terrorakte haben zu Besucher- und Preisrückgang geführt, allerdings auch die Sicherheitsmaßnahmen überall sichtbar verstärkt - die Anschläge waren fast vollständig verstummt, als im April 1996 erneut ein Attentat in Kairo zahlreiche Opfer forderte. Welches Risiko man in Kauf zu nehmen bereit ist, bleibt eine persönliche Entscheidung vor jeder Reise. Während des Aufenthalts in Ägypten wird dank der stets zahlreichen Touristen die Bedrohung kaum empfunden, immerhin zählte man 1995 trotz alledem 3,13 mio Besucher.
  • Angesichts der extremen Sommerhitze in Oberägypten ist die beste Reisezeit das Winterhalbjahr (Ende Oktober bis Ende April). Bei Temperaturen um 20 Grad sollte trotzdem Sonnenschutzmittel und eine Kopfbedeckung nicht vergessen und für regelmäßige Flüssigkeitsaufnahme gesorgt werden. Zu beachten ist auch die stets rasche Abkühlung nach Sonnenuntergang. Im Sommer stehen gut klimatisierte Hotels, Schiffe und Busse zur Verfügung. Aufgrund der geringen Luftfeuchtigkeit sind die hohen Temperaturen im Schatten relativ leicht zu ertragen.
  • Bei Besichtigungen der Grabanlagen empfiehlt sich einen Taschenlampe, nicht zuletzt weil Stromausfälle nicht selten sind. Wegen der Hitze sollte man nur bei guter körperlicher Verfassung eintreten und sich eines der bereitgehaltenen Fächer bedienen. Fotografieren und Filmen ist in den Gräbern verboten.
  • Es besteht Visumpflicht, dieses kann man sich jedoch auch bei der Ankunft besorgen, bei organisierten Reisen übernimmt meist der Veranstalter die Formalitäten.
  • Es ist notwendig, zur Bezahlung Kleingeld bereitzuhalten, Händler können selten große Beträge wechseln. Inwieweit man den stets heftigen „Bakschisch“-Forderungen nachkommt, liegt im Ermessen des Reisenden.
  • Mit dem Internationalen Studentenausweis sind nahezu alle Eintrittspreise ermäßigt.

 

 
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